Wer bezahlt bezahlbaren Wohnraum?

Datum des Artikels 11.02.2022

Wenn jahrelang alle Parteien das gleiche Ziel vor sich her tragen, aber in der Realität genau das Gegenteil passiert, dann empfinden die Menschen Politik als leere Phrase. Ein Beispiel hierfür ist der weit verbreitete Ruf nach „bezahlbaren“ Wohnungen.

Für Zeitgenossen mit einfachem Weltbild ist die Sache klar: Hinter hohen Mieten stecken gierige Investoren, denen die Politik mit Mietdeckeln Fesseln anlegen muss. Die Mehrheit der Berliner Bürgerinnen und Bürger will große Wohnungsgesellschaften sogar enteignen und vergesellschaften. Wohnen soll günstiger werden. Aber wenn die politische Linke „bezahlbarer Wohnraum“ sagt, meint sie subventionierten Wohnraum.

Der politische Mainstream in der Wohnungspolitik widerspricht sich selbst: einerseits rufen (fast) alle nach billigem Wohnraum, andererseits werden die Anforderungen beim Bauen ständig nach oben geschraubt. Die Vorgaben nehmen zu. Immer höhere Energiestandards, mehr Brandschutz, Barrierefreiheit. Hinzu kommt, dass neue Wohnungen auf Mercedes-Niveau gebaut werden, mit Lüftungsanlagen, aufwändigen Steuerungen und Hightech-Fenstern. Wohnungen sind auch dann noch bezahlbar, aber für immer weniger Käufer ohne Familienerbe.

Bauen für Jüngere zunehmend unerschwinglich

Seit der Wiedervereinigung sind die durchschnittlichen Baukosten je Quadratmeter neuen Wohnraums um nahezu 100% gestiegen. Bauland ist in Baden-Württemberg in den letzten 20 Jahren um über 60% pro Quadratmeter teurer geworden. Die Kosten für Baumaterial und Arbeitskräfte steigen ebenfalls überproportional. Am stärksten haben sich die Kosten für Erdarbeiten (plus 28%) verteuert, ein wesentlicher Teil davon sind die Entsorgungskosten. Und allein in den letzten 6 Jahren haben sich die Preise für Ausbauarbeiten wie Wärmedämmung und Heizung um fast 20% erhöht. Die Folge dieser Entwicklung: der Anteil von Immobilieneigentümern, die jünger als 45 Jahre sind, hat sich in den vergangenen 20 Jahren halbiert (Quelle: F.A.Z. vom 20.12.2021).

Bauen muss wieder einfacher werden

Das Bauen wird durch immer mehr Vorschriften immer komplexer und teurer. In den letzten drei Jahrzehnten hat sich die Zahl der Vorschriften vervierfacht, sagt der Bundesverband der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW). In ganz Deutschland gäbe es etwa 20.000 zu beachtende Gesetze, Verordnungen und DIN-Normen. Hier muss die Politik ansetzen, auch in Baden-Württemberg. Wahrscheinlich ist jede Vorgabe im Einzelfall sinnvoll, aber dass jede Vorgabe flächendeckend gilt, ist wahrscheinlich nicht sinnvoll.

Ein ganz wichtiger Ansatz wäre, dass jede Vorgabe hinsichtlich ihrer Kosten überdacht wird. Überwiegt der Vorteil der Vorgabe oder sind die aus ihr resultierenden Mehrkosten unverhältnismäßig?

Viele kleine Kostentreiber machen das Bauen so teuer

Um konkret zu werden, möchte ich an dieser Stelle 5 weitere Vorschläge zur Diskussion stellen. Erster Punkt: In Deutschland bieten derzeit nur 4% der Kommunen Online-Bauanträge an. Je komplexer ein Bauvorhaben, desto mehr Stellen müssen zustimmen. Oft arbeiten die Behörden „Schritt für Schritt“ statt parallel, sie kommunizieren per Post und ohne Fristvorgaben. Dies verlängert die Verfahren unnötig. Insbesondere Bauträger klagen darüber, dass es Jahre bis zum Spatenstich dauert. Was wir dringend brauchen: die konsequente, medienbruchfreie Digitalisierung der Genehmigungsverfahren. Gescannte Dokumente können dann bei der Stelle abgerufen werden, wo sie bereits vorliegen, Daten müssen nur einmal eingegeben werden („Once-Only“) und die beteiligten Stellen arbeiten mit einem gemeinsamen Projektmanagementtool, auf das auch Antragsteller, Bauherren und Architekten Zugriff haben.

Zweitens: Im Bestandsbau führen Aufstockungen oder andere Erweiterungen von Bestandsgebäuden oft dazu, dass der Bestandsschutz erlischt. Die Baubehörde muss dann eine Neubetrachtung vornehmen und Bebauungsdichte, Abstände und Stellplatzvorgaben sowie den Brand- und Schallschutz anpassen. Auch hier schlummern Zeit- und Kostensparpotenziale.

Die Landesbauordnung – dritter Punkt – muss erneut auf den Prüfstand gestellt und vereinfacht werden. Wir müssen flexibler werden bei der Barrierefreiheit, den Vorgaben für die Kinderspielplatzpflicht, beim Holzbau, bei Aufstockungen und Anbauten und bei der Wärmedämmung.

Viertens: Jeder Grundstückskauf verursacht Nebenkosten. Die notarielle Beurkundung jedes Kaufvertrags kostet zusätzliche 1,5% der Kaufsumme, auch wenn der Notar nur einen Standardtext verwendet und vorliest. Was spricht dagegen, dass Notare diese einfachen Verträge nicht nach tatsächlichem Aufwand abrechnen?

Und Punkt 5: Wie die Notarkosten muss auch die Grunderwerbssteuer aus dem Eigenkapital des Bauherren bestritten werden. In Baden-Württemberg sind dies derzeit 5%. Deshalb der Vorschlag: Wer privat ein Grundstück oder eine Wohnung für den Eigenbedarf erwirbt, sollte einmalig bei der Grunderwerbssteuer entlastet werden, zum Beispiel durch einen Freibetrag.

Bauen wird teuer bleiben, aber Vorschläge wie diese können in Summe für Entlastung sorgen. Was sie gemeinsam haben ist, dass wir damit den steinigen Weg gehen, unsinnig komplexe Vorschriften zu vereinfachen und Verwaltungshandeln zu beschleunigen. Das ist unser Weg, die Baukosten zu zügeln anstatt nach Enteignungen und Subventionen vom Staat zu rufen.

Tobias Vogt MdL